DIE EISMEILE
Am 1.3.15 habe ich meine ice-mile geschwommen.
Es war aufregend
Es war kalt
Es war extrem hart
Es war schmerzhaft
Aber es war gut!
Wie es mir in der Zeit davor und am großen Tag ging, lest ihr hier :-)
Zuerst einmal die harten Fakten:
Eine ice-mile zu schwimmen, heißt eine Meile = 1,609 km bei unter 5 Grad Wassertemperatur nur im Badeanzug/-hose, einer (!) Silikonkappe, Schwimmbrille, ggf. Ohrenstöpsel, Nasenklammer und Mundschutz zu schwimmen. Währenddessen darf man keine Hilfe in Anspruch nehmen, sich nicht irgendwo festhalten oder zwischendurch sich auf den Grund stellen, ist das Wasser flach genug dazu.
Ich hab mich dem Abenteuer am Sonntag, 01.03.2015 gestellt. Im nur 1 Grad warmen Großen Brombachsee bin ich am Enderndorfer Strand 1635 m in einer Zeit von 42:17 min geschwommen.
Die Woche davor
Wie so oft vor wichtigen Wettkämpfen begann ich bereits ab Montag mich zu fokussieren. Ganz unvermittelt friere ich so in der jeweiligen Haltung ein und habe vor Augen wie ich schwimmen werde. Dazu gesellte sich ein fast unangenehme Nervosität. Nicht ständig, eher anfallsweise immer wieder. Zum Glück ebbte das gegen Mitte der Woche wieder etwas ab. An Organisatorischem war alles erledigt, was noch zu tun war, mussten wir am Tag X erledigen.
Ab Donnerstag hatte ich ein krankes Kind zu Hause, ab Freitag war auch Robby krank. Na prima! Behaltet eure Bazillen bitte für euch! Robby hat die Nächte auf der Couch geschlafen um mich nicht anzustecken, ich hab mich derweil in Mentaltraning geübt: "mein lieber Körper, wir bleiben gesund, gell!" Hat geklappt :-D
Am Freitag stand der ärztliche Check mit Belastungs-EKG im Kalender, ich wollte es ja unbedingt aktuell haben. Eine Routinesache, ein weiteres Erledigt-Häkchen. Natürlich kam es anders, in der Ausbelastung zeigte mein EKG einen auffälligen Befund. Mist! Ich bin dann direkt weiter zum Kardiologen, hab dort mein Problem geschildert und wurde zum Glück noch eingeschoben. Vielen Dank! Es folgte eine gründliche Untersuchung, die die Befürchtungen ausräumen konnte, alles paletti! Puuuh, zum Glück!
Der Samstag verging mit allem möglichen Tütelkram daheim und einem Besuch am See. Uiuiui, ganz schön viel Eis! Die DLRG hatte mir aber Hoffnung gemacht, dass sie das schon aufbrechen werden können. So kroch ich spät am Abend in mein Bett und schlief erstaunlich gut.
Tag X
Oh weh war ich nervös in der Früh. Ganz schlimm! Ich wollte es nur noch hinter mir haben, hab mir den Abend herbei gesehnt. Aber so schnell ging das nicht. Das Frühstück fiel etwas dürftig aus, ich hab kaum was runter gebracht.
Um 10.30 Uhr kamen meine Eltern, da wurde es etwas besser, und als eine Stunde später Chris von FrankenTV eintraf hatte ich mich einigermaßen abgeregt. Vorher hatte ich noch schnell ne Banane runtergewürgt und mich umgezogen, die Tasche war gepackt, die meisten Sachen im Auto verstaut. Chris machte einige Aufnahmen daheim, dann ging es los in Richtung Kleiner Brombachsee/Langlau.
Dass der vereist war wussten wir ja, machten uns also erst mal keine Gedanken. Die Kollegen der DLRG waren schon vor Ort. Das Boot wurde ins Wasser gelassen, in freudiger Erwartung dass das Eis schon nachgeben wird ... tat es aber nicht :-/ Mit allerhand Werkzeug mühten sich Daniel, Martin und Peter ab das Eis aufzubrechen, das wollte und wollte aber nicht dünner werden. Nach einer halben Stunde zogen wir einen Schlußstrich und beschlossen nach Enderndorf an den Großen Brombachsee umzuziehen. Dort war es in den letzten Wochen immer möglich zu schwimmen.
Ich hoffe, es waren nicht allzuviele Zuschauer enttäuscht nur eine Nachricht vorzufinden wo wir sind. Es war einfach nicht möglich an diesem Tag eine Schwimmstrecke frei zu räumen, bzw hätte das nicht vorhandenes Gerät erfordert.
Bis der Tross in Enderndorf angekommen und alles dort war, wo wir es brauchten, verging auch nochmal einiges an Zeit. Das Wetter zeigte sich nicht so freundlich, Nieselregen und etwas Wind brachten die Zuschauer zum bibbern und auch hier gab es Eis. Zum Glück aber als Bruchstücke die sich an der Wasserkante gesammelt hatten. Da musste ich halt durch, ein paar kleinere Schnitte haben sie mir an den Zehen verpasst.
Um 14.38 Uhr war es dann soweit, das Boot war auf Position, die Temperatur war gemessen und mir nicht verraten worden "passt, sind unter 5 Grad", die Belehrungen waren erfolgt, ich stieg ins Wasser. Vorsichtig durch die Eisschollen, Atmung kontrollieren und los ging es. Erst einmal brustschwimmend bis kurz vor der Boje, die an diesem Tag nicht nur den Badebereich begrenzte, sondern auch meine Strecke markieren durfte. Hier begann meine ice-mile. 29 Runden um die Bojen herum. Ich zählte die Runden rückwärts, noch 28, noch 27 usw. Es war kalt, richtig kalt! Bald kam das Gefühl, meine Poren verschließen sich, lassen die Kälte nicht in den Körper. Mein erstes Ziel war unter 20 zu kommen. Die Hände und Füße waren taub, aber nicht schmerzhaft und immer zu spüren.
Ich spulte meine Runden ab, los unter 15, dann ist die Hälfte geschafft. Das Wasser klirrte, es plätschert zwar auch, aber wenn es richtig kalt ist klirrt es leicht. Das fiel mir an einer Wende auf. Wie kalt es wohl sein mag? Zwischendurch immer wieder mal Norbert , der als Observer auf dem Boot auch überprüfte, ob ich normal reagiere, ein Daumen hoch geben. Alles gut, es geht noch!
Die einstelligen Runden näherten sich, kurz war ich euphorisch, dass ich es schaffen werde! Doch die fortschreitende Auskühlung ließ sich nicht mehr ignorieren, irgendwann hat alles Denken an "the fire still burns" keinen Effekt mehr. Ich begann langsam aber sicher zu zittern, nicht gut! Auch im Kopf bemerkte ich nun Veränderungen, das Wasser wurde dunkler, ich musste mich auf die Bojen fokussieren, hin, her, hin, her. Innerlich fragte ich mich immer wieder ab, ob ich wirklich noch richtig reagiere, ob ich wahrnehme was auf dem Boot passiert. Ein Segen war für mich, dass meine Zuschauer mich nun immer wieder anfeuerten. Ich nahm das wahr, und da war ich froh drum. Nichts desto trotz waren die Gedanken ans Aufgeben da, die bange Frage wann ich in einen wirklich kritischen Bereich kommen würde und ob ich das dann überhaupt realisieren würde. Meine Crew auf dem Boot war mir das Sicherungsnetz, das ich so dringend brauchte. Sie waren da und würden mich raus holen. Ich habe mich nur um eine Runde verzählt, nach meiner letzten Runde schrie Norbert mir zu noch eine Runde, die letzte Runde!!! Am Ufer wurde es wieder laut. Einmal noch, nur noch einmal vor zur äußeren Boje und wieder zurück, dann war es geschafft. Endlich! Als schwierig empfand ich den Weg zurück an den Ein-/Ausstiegspunkt. Auf der Strecke hatte ich mich auf die Bojen fixiert, jetzt musste ich erst einen neuen Fixpunkt finden und es schaffen darauf zu zu schwimmen. Ein Glück sind die Jacken des Notfallteams gut zu erkennen. Auch abzuschätzen, wann das Wasser flach genug ist zum Stehen, war nicht mehr so einfach. Dann hatte ich wieder Boden unter den Füßen und wankte ans Ufer. Mir wurde mein Bademantel und eine Rettungsfolie übergehängt, dann ging ich, gestützt von Arzt und Sanitäter zum Rettungswagen zum Umziehen und Aufwärmen. Unterwegs gab ich das Aschenputtel und verlor meinen Schuh :-P
Nun aber schnell runter mit dem kalten nassen Badeanzug! Halbherzig abgetrocknet, in die Unterwäsche rein, mehr ging nicht mehr, das Zittern wurde zu stark. Ich durfte mich auf die Liege legen, den Oberkörper etwas erhöht, wie es sich gehört, und wurde in sämtliche verfügbaren Decken gehüllt. Zur Unterstützung gab es Flüssiges i.v. Ich klemmte mir aber in der ersten Phase den Zugang ziemlich oft zu, weil ich den Arm nicht ausgestreckt halten konnte, der wollte unbedingt an meinen Körper ran. Der Kopf konnte sich mit nichts anderem beschäftigen. Ich war da, aber völlig auf mich konzentriert. Das Aufwärmen war für mich der härteste Part an der ganzen Sache. Ich zitterte etwa eine halbe Stunde extrem stark, mir wurde angeboten in die Klinik zu fahren zum Aufwärmen. Da zu diesem Zeitpunkt mit ca 25 min aber erst etwas mehr als das Doppelte der normalen Aufwärmzeit vergangen war, lehnte ich ab. 5 min später flachte das Zittern dann langsam ab. Ich konnte Tee trinken, mich einigermaßen unterhalten und wieder Späßchen machen. Jetzt konnt ich auch Besuch empfangen, Robby, Lissi, ... immer schön nacheinander, es war ja nicht viel Platz. Nach etwa 30 weiteren Minuten war ich wieder fit. Anziehen klappte, ich konnte ohne Probleme aufstehen. Alles fein, nur noch eine Spur Restkälte.
Unter Applaus verließ ich den RTW, nahm überglücklich die Glückwünsche der Verbliebenen, die dem schlechten Wetter so lange getrotz hatten, entgegen und erfuhr endlich gesichert meine Daten. Im RTW hatte ich schon mal nachgefragt und war erschrocken über die lange Zeit, die genannte Temperatur konnte ich nicht glauben. Ich hatte vorher ja etwas das Maul aufgerissen und behauptet nach 30 bis 32 min sollte ich es geschafft haben. Nun stand 42:17 min auf der Uhr ... und auf den Thermometern Werte zwischen 0,3 und 1,6 Grad, gemittelt bin ich in 1,03 Grad "warmem" Wasser 1635 m =1,01 Meilen geschwommen. Das erklärte einiges!
Ich bin froh, dass ich vorher nicht wusste wie kalt das Wasser wirklich ist. Das hätte meine Gedankengänge während des Schwimmens sicher noch kritischer werden lassen. Ich hätte nie gedacht, dass der See so kalt wäre. Vermutlich weil er offen war, sich das Wasser nicht unter Eis erwärmen, sondern immer weiter auskühlen konnte; so zumindest meine unprofessionelle Erklärung.
Der Sekt zum Anstoßen am Abend, huiuiui, blieb besser alleine, kein zweites Glas, Allohol ging gar net. Dafür jede Menge Tee und zu fortgeschrittener Stunde musste ich den Kühlschrank plündern ;-) Am nächsten Tag waren diverse Muskelkatzen eingezogen, besonders die Hüftbeuger schmerzen durch das lange heftige Zittern.
Vielen Dank!!!
Es bedarf einiger Unterstützung um ein solches Unternehmen zu stemmen, absichern und bezeugen. Mein großer Dank gilt "meiner" DLRG Weißenburg, dem BRK Weißenburg, Manfred Schmidt, der mich als Notarzt betreut hat, Norbert Trebing, der mein Observer war und mit dem Zeugen Ralph Erler aufgepasst hat, dass alles regelkonform läuft, Peter Hücker, der mir als erfahrener Eiswasserschwimmer zur Seite stand.
Ein ganz großes Dankeschön an meine Familie, die mich ertragen muss und auch so manche Aufwärmphasen im Training mit durchleiden musste.
Vielen Dank auch an die Pyraser Landbrauerei, die mich unterstützt hat!
Ich habe mich sehr gefreut, dass sich so viele Besucher am See eingefunden haben, trotz des nicht optimalen Wetters und des notwendigen Umzugs an den großen Brombachsee. Ihr wart klasse!